Stellt Euch vor: Ihr liegt nachts im Bett und hört das einsame Heulen eines Wolfs. Oder wartet, vielleicht war das doch ein Mensch? Hat er etwa einen essbaren Wolfspfirsich gegessen und sich in ein haariges Monster verwandelt? Denn laut einer deutschen Sage benutzten Hexen halluzinogene Pflanzen wie Belladonna und, jetzt kommt’s, die Tomate, um Werwölfe zu erschaffen!
Der botanische Name der Tomate Lycopersicon esculentum (essbarer Wolfspfirsich) basiert tatsächlich auf dieser Legende. Früher galt die Tomate als giftig und landete in einer Schublade mit anderen gefährlichen Nachtschattengewächsen wie Tabak, Belladonna und Stechapfel. Als die Tomate im 15. Jahrhundert von Südamerika nach Europa kam, war sie gelb. Die Menschen traten ihr mit einer gewissen Skepsis entgegen: Niemand wollte die Früchte essen, aus Angst, sich zu vergiften. Gelbe und rote Tomaten galten als Auslöser von Liebeswahn. Bezeichnet wurden sie daher auch als Liebesapfel oder Paradiesapfel. Ob sie Menschen in wahnhafte Liebeszustände versetzten, sei mal dahin gestellt. Allerdings besitzen nur unreife, grüne Tomaten wirklich eine toxische Wirkung, verursachen Übelkeit und Erbrechen. Schuld daran ist das Solanin, eine schwach giftige chemische Verbindung. Aber keine Sorge, sobald die Tomate reif ist, verschwindet ihre toxische Wirkung.
Frucht oder Gemüse?
Es dauerte viele Jahrzehnte, bis die Tomate ihren schlechten Ruf ablegte und schließlich im 19. Jahrhundert dank den Italienern Einzug in die europäische Küche fand. Inzwischen ist die rote Frucht (ja, botanisch gesehen ist die Tomate eine Beere) in Deutschland das am meisten verzehrte Gemüse überhaupt. Dank den Amerikanern zählt die Tomate mittlerweile zum Gemüse, nicht zum Obst: 1893 verlieh der amerikanische Surpreme Court der Tomate den offiziellen Titel Gemüse.
Stabtomaten, Busch- und Strauchtomaten, Fleischtomaten, Eiertomaten und Kirschtomaten, das sind nur einige der rund 2.500 verschiedenen Tomatensorten. Ob oval, rund, gefurcht, schwarz, rot, orange, gelb, groß und klein, Tomaten gibt es in allen Variationen. Riesentomaten können bis zu einem Kilo schwer werden. Tomaten wechseln ihre Farbe: Während des Reifeprozesses bauen sie das enthaltene grüne Chlorophyll ab und bauen daraus Lycopin, ein Carotinoid – die Tomaten färben sich rot. Allerdings gibt es auch gelbe Tomaten, die trotz Reife ihre Farbe behalten.
Gesundheitliche Wirkung
Lycopin ist ein sekundärer Pflanzenstoff und schützt unsere Zellen. Er gehört zu den Antioxidantien. Diese Stoffe fangen freie Radikale ab und machen sie unschädlich. Freie Radikale sind auseinandergebrochene Moleküle, die in den Zellen herumrasen, auf der Suche nach anderen Bruchstücken. Dabei zerstören sie die Zellwände und die enthaltene Erbinformation. Lycopin bremst die Radikale, indem es fehlende Stücke liefert. So schützt Lycopin unsere Zellen vor frühzeitigem Altern und Krankheiten. Daher ist es sinnvoll, zu gebratenem Fleisch eine Tomatensalsa anzubieten, damit das Lycopin die schädlichen Röststoffe des Fleisches neutralisiert.
Es unterstützt unseren Körper ebenfalls bei der Abwehr von UV-Strahlen der Sonne. Als inneres Sonnenschutzmittel beugt es so Hautschäden vor. Außerdem wird Lycopin momentan als Mittel in der Krebsprävention diskutiert: Untersuchungen zeigten, dass Menschen, die viele Tomaten und Tomatenprodukte konsumieren, ein vermindertes Risiko für Prostatakrebs aufweisen. Neben sekundären Pflanzenstoffen liefert uns die Tomate auch viele Vitamine und Mineralstoffe. Beispielsweise sind Vitamin C und Vitamin E mit dabei, sowie Folsäure und besonders Kalium. Dieses Mineral fördert die Verdauung und reguliert den Blutdruck.
Tomaten + Öl = Super Kombination
Das Lycopin entfaltet seine maximale Wirkung, wenn Ihr Tomaten mit Öl kocht. Die Hitze bricht die Zellstrukturen auf, so kann das Lycopin besser austreten. Außerdem verändert die Hitze die Struktur des Wirkstoffs, dadurch kann der Körper das Lycopin optimal verwerten. Öl und Fett sorgen auch dafür, dass der Körper das Lycopin während der Verdauung besser aufnimmt. Daher kocht Tomaten immer mit Olivenöl oder anderen hochwertigen Ölen. Als Basis für Saucen eignet sich Tomatenmark besonders gut, da die Lycopin-Konzentration sehr hoch ist. Denn Tomatenmark ist eine dicke Paste aus Tomaten-Fruchtfleisch. Auch Ketchup ist ein guter Lycopin-Lieferant und besonders bei Kindern beliebt. Daher streicht das Produkt nicht kategorisch vom Speiseplan, sondern achtet beim Kauf auf zuckerfrei Produkte.
Roh schmeckt die Tomate auch sehr lecker. Ungekocht bleiben alle Vitamine und Mineralstoffe erhalten. Tomaten sind kälteempfindlich, daher lagert sie nicht im Kühlschrank. Ein dunkler Platz mit Zimmertemperatur ist ausreichend. So gelagert, entfalten sie ihr volles Aroma. Achtet darauf, Tomaten separat von anderen Gemüse- und Obstsorten zu deponieren. Wie Äpfel geben auch Tomaten ein natürliches Reifegas ab. Verbraucht die frischen Früchte innerhalb von vier bis fünf Tagen.
Tomaten harmonieren gut mit Gewürzen wie Thymian, Oregano und Basilikum. Mit Knoblauch und Schalotten könnt Ihr schmackhafte Tomatensaucen zaubern. Kleiner Tipp: Gebt während des Kochens etwas Zucker hinzu, so verringert Ihr den Säuregehalt Eurer Sauce. Lasst Euch doch einfach mal von meinen Rezepten inspirieren, beispielsweise von meinen gefüllten Tomaten mit Hackfleisch!