Weißbrot liefert einfache Kohlenhydrate und Linsen bestehen aus komplexen Kohlenhydraten. Einfache Kohlenhydrate verdaut der Körper schnell, für die komplexen braucht er etwas länger. Oder?
Wenn das mal nur so einfach wäre.
Diese Klassifizierung in einfache und komplexe Kohlenhydrate ist zwar gängig, aber problematisch. Zum Beispiel dauert es bei den “einfachen” Kohlenhydraten mal länger, mal kürzer, bis sie verdaut sind. Traubenzucker wird zwar rasch vom Körper aufgenommen, aber für Fruchtzucker braucht er deutlich länger. Auch Haushaltszucker wird nur moderat absorbiert, da er erst noch in Einfach-Zucker aufgespalten werden muss. Auch bei stärkehaltigen Lebensmitteln, den komplexen Kohlenhydraten, ist die Aufnahmegeschwindigkeit nicht dieselbe.
Eine bessere Methode, um die Geschwindigkeit von Verdauung und Energieausbeute der Kohlenhydrate einzuschätzen, ist der Glykämische Index (GI). Dieser Wert beschreibt, wie schnell ein kohlenhydrathaltiges Lebensmittel verdaut wird und wie stark der Blutzuckerspiegel dadurch ansteigt. Denn die Kohlenhydrat-Verdauung und der Blutzuckerspiegel sind miteinander verknüpft: Unser Verdauungsapparat spaltet die Kohlenhydrate in ihre kleinsten Bestandteile auf, diese gehen dann ins Blut über. Die kleinen Zuckermoleküle nutzen das Blut als Autobahn, um zu Organen wie der Leber zu gelangen. Je mehr Kohlenhydrate ein Lebensmittel enthält, desto mehr Zucker-Autos drängen auf die Fahrbahn. Als Folge davon steigt der Blutzuckergehalt. Der Glykämische Index ist dabei ein Warnsystem, dass uns zeigt, bei welchem Lebensmittel wir mit Staus auf der Blutautobahn rechnen müssen.
Als Referenzwert, um den GI zu berechnen, dient Traubenzucker (100). Nun ist eine Testperson ein Lebensmittel mit 50g enthaltenen Kohlenhydraten. Der Blutzuckerspiegel wird in den ersten zwei Stunden nach der Mahlzeit gemessen. Je höher der Blutzuckerspiegel, desto höher ist der GI des Lebensmittels. Ein Wert größer als 70 ist hoch, ein Wert unter 50 gilt als niedrig. Ein GI von 50 bedeutet, dass das Test-Lebensmittel den Blutzucker nur halb so hoch ansteigen lässt wie Traubenzucker. Ihr könnt mit dem Glykämischen Index auch abschätzen, wie wahrscheinlich Euch eine Heißhungerattacke droht: Steigt der Blutzucker hoch und fällt schnell darauf wieder ab, zum Beispiel bei der Brezel, dann lässt der Heißhunger nicht lange auf sich warten.
Der Glykämische Index basiert auf dem realen Blutzuckeranstieg, sobald Ihr ein Nahrungsmittel verzehrt habt. Allerdings kann er den Spiegel nie ganz genau prophezeien, da jeder Mensch anders verdaut und der Blutzuckerspiegel auch täglichen Schwankungen unterliegt. Auch die absolute Höhe des Blutzuckeranstiegs lässt sich mit dem GI nicht berechnen. Ursprünglich wurde der Wert verwendet, um verschiedene Nahrungsmittel zu vergleichen. Beispielsweise, wie die jeweils gleiche Menge von Weißbrot und weißem Reis den Blutzucker in die Höhe treibt.
Es wäre ja auch verheerend, wenn ein Tropfen Wein die gleiche Wirkung wie eine Flasche Rum hätte. Um dieses Manko auszugleichen, gibt es die Glykämische Last (GL). Dieser Wert bezieht die Menge des gegessenen Lebensmittels mit in die Rechnung ein, um dessen Wirkung zu beurteilen. Dabei gilt: Je höher die Kohlenhydratdichte eines Lebensmittels ist, desto höher ist seine Glykämische Last. Zum Beispiel besitzen Möhren einen GI von 70, ein hoher Wert. Allerdings ist die Dichte der Kohlenhydrate in Möhren gering. Ihr müsstet rund 700g essen, um eine Menge von 50g Kohlenhydrate zu erreichen. 700g ist schon ziemlich viel, da müsstet Ihr den ganzen Tag nur an Möhren nagen. Daher ist die Glykämische Last der Möhre niedrig. Weißbrot, Semmeln haben einen hohen GL, da sie eine hohe Dichte an Kohlenhydraten aufweisen und sehr schnell verdaut werden.
Achtet also immer darauf, welcher Wert auf Lebensmitteln angegeben wird. Das kann einen schnell mal in die Irre führen. Behaltet im Hinterkopf, dass der GI eines Nahrungsmittels zwar hoch sein kann, aber die GL niedrig.